„Tööntje“ en „Trinneke“

„Töötnje“ en „Trinneke“

Von den Klever Liliputanern soll dieses Mal die Rede sein.

Die alten Klever erinnern sich ihrer sicher, wenn sie irgendwo im Wanderzirkus oder auf Schaubühnen solche kleinen Leute auftreten sehen. Die Klever Liliputaner aber hatten es nicht nötig, ihr Brot im Wandergewerbe zu verdienen. Ihre Tätigkeit war mit der Industrie verbunden.

„Hast du nicht den kleinen Kohn gesehn?“, so sangen die spielenden Kinder am Großen Markt, und schon tauchte er wirklich auf. Anton hieß er mit Taufnamen.

Im Volksmund allerdings nur „Tööntje“. Wie flink trabte er auf seinen kleinen Beinchen daher, um rechtzeitig seinen Arbeitsplatz zu erreichen! Als Junge hatte er beim alten „de Bänn“ das Korbflechten gelernt. Aber die Küferei und Kistenfabrik der „van den Bergh’s Margarinewerke“ bot ihm günstigere Chancen.

An der Hobelmaschine sah man, wie der kleine „Töön“ die fertigen Brettchen nahm, um sie flink aufzustapeln. In der damaligen Zeit brachte ihm die Tätigkeit schon einen schönen Verdienst. Also konnte auch er sich, wie die großen Kollegen, mal einen „hinter die Binde schütten“.

Kam da „Töön“ einst zu einem neuen Wirt und verlangte an der Theke seinen Schnaps. Darauf der Wirt: „Wij alt sitt gej, Männeke?“ Darauf Töön: „Gevt maar erst enne Stuhl, dann köj sien, wie alt datt een is.“ Dabei spuckte er kräftig von seinem Priem wie derweil „Bältermann“.

Sein Pfeifchen hielt er in Ehren, wenn er mit seinen großen Kollegen Seite an Seite zur Arbeit trippelte. Im übrigen saß Töön „an de Möhle op den Dörpel van sinn Huisdör mit de Piep in de Mond“. Er mag manchmal Langeweile gehabt haben, so ganz allein unter Riesen. Die Öffentlichkeit scheute er – bis auf eine Ausnahme.

Es war, als der Wanderzirkus kam. Da nahm er die Herausforderung eines Zwergenclowns zum Zwergenringkampf auf. Randvoll war der Zirkus, als der Kampf begann. Spannung und Kichern unter den Zuschauern. Wird „Tööntje“ es ihm zeigen? „Gev et öm, Töön!“ forderte einer – „Tööntje“ bekam Mut, griff an, und der Berufsartistenzwerg legte ihn elegant in die Sägespäne. „Tööntjes“ Weg zum Zirkus war zu Ende.

Er war durchaus kein Kostverächter – aber Zwiebelpfannkuchen aß er am liebsten. Doch wer sollte sie ihm backen? Ein halbes Jahrhundert war vergangen, bis er jemanden fand. Es war „Trinneke“. Auch „Trinneke“ stammte aus dem Reich der Liliputaner. Wie oft hatte sie schon, geschmückt mit einer weißen Zierschürze, an den Sonntagen am Eingang zum Fort Blücher gestanden!

Sie war noch eine von den bekannten Stepperinnen der alten Zeit. Bei der Schuhfabrik von Frau Heinrich Janzen, die 1914 einem Großfeuer zum Opfer fiel, war sie tätig. Im gesellschaftlichen Leben ließ sie sich den „Käs“ nicht nehmen. Wenn es Kirmes feiern hieß, dann war sie mit von der Partie.

Wie drehte sie sich dort mit ihren großen Kolleginnen auf der Tanzfläche! Bis zu ihrer Verheiratung blieb sie ihrer Steppmaschine treu. Jawohl, ihrer Steppmaschine, denn damals waren die meisten Maschinen noch Eigentum der Steksterkes. Als sie aufhörte, wollte ihr letzter Arbeitgeber, Hermann Hunk, dessen Betrieb ein Opfer des Krieges wurde, „Trinnekes“ Maschine kaufen. Doch ihr kleiner Bräutigam, unser „Tööntje“, hatte das Pech, die Maschine beim Transport fallen zu lassen. Aus war’s!

Aber nicht mit der Liebe; denn eine Hochzeit wurde gefeiert, von der die ganze deutsche Presse Notiz nahm. „Zwergenhochzeit in Kleve!“, so lauteten die Schlagzeilen unter anderem im „Kölner Stadtanzeiger“.

Die illustrierten brachten Fotos des Brautzuges, der sich friedlich und langsam von der Stiftskirche zum Fotohaus Balliany bewegte, wo die Wohnung des kleinen Paares im fortgeschrittenen Alter standen Möbel von besonders kleiner Art.

Das war im schönen Monat Mai des Jahres 1919. Aber das Eheglück währte nur wenige Jahre. „Trinneke“ schloß bald die Augen zur ewigen Ruhe. Auch „Tööntjes“ Lebensjahre waren gezählt.

Redlich haben die Klever Liliputaner ihr Brot verdient. Sie haben mitgeschafft am Aufstieg der Klever Industrie.

Bild oben KI generiert

– Elefanten-Post 13. Jahrgang / März 1963

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