
Sauberkeit ist das halbe Leben. Dieser Spruch hatte auch bei den alten Klevern Geltung. Damals dachte man allerdings nicht daran, dem Fußboden einen Ölanstrich zu geben. Samstags wurden die glatten Bretter sauber geschrubbt und, wenn sie trocken waren – genau wie auch die gescheuerte Herdplatte –, mit weißem Sand bestreut.
Den brachte der „kleine Sandmann“ mit einer Eselskarre aus Nütterden in die Stadt. Man konnte das Streumittel auch bei Jan Toonen, dem Kohlenhändler „an de Mühle“, kaufen. Zwei Pfennig kostete die Schaufel. Der Sandmann war ja billiger. Er nahm nur einen Pfennig.
Das Einkommen der kleinen Leute war nicht so groß, daß man nicht mit dem Pfennig gerechnet hätte. An Lackfarben und Tapeten war schon gar nicht zu denken. Bei den alten Schustern gab es zwar hier und da die „Sonndagse Kamer“. Die wurde aber hauptsächlich nur zu Weihnachten benutzt.
In regelmäßigen Abständen wurde die Wohnung allerdings mit einem frischen Kalkanstrich versehen, den man durch tönenden Zusatz, wie Oker oder Preußisch blau, individuell gestaltete. Auf solche Arbeiten waren die Maler und Anstreicher allerdings nicht gerade erpicht. Immerhin stand hierfür ein „Spezialist“ zur Verfügung, der stadtbekannt wurde.
Wenn er arbeitete, sah man ihn im „Buserull“, im gestreiften Arbeitskittel, mit Kalkeimer und runder Kalkbürste an einem langen Stiel. Der Stiel ersparte ihm die Leiter. Der Mann hatte den Namen des niederrheinischen Hochadels: Jansen. Um ihn von seinen Namensvettern zu unterscheiden, trug er – wie viele aus der Sippe der Jansens – einen Spitznamen. Es mag an seiner stämmigen und untersetzten Figur gelegen haben, daß die alten Klever den Kalker nur als „de Kuw“ bezeichneten.
„Kuw Janze“ stand mit wallendem Bart an jener Straßenecke, wo die Marktstraße auf die Große Straße trifft und wo sich heute der Eingang zum Kaufhof befindet, immer dann, wenn er keine Arbeit hatte. Seine mächtige Figur fiel auf; da er älter und älter wurde und seine „Spezialarbeiten“ nicht mehr so gefragt waren, sah man ihn öfter und öfter an der bekannten Straßenecke stehen, die schließlich ohne seine Anwesenheit gar nicht mehr denkbar war.
Er hatte feste „Dienststunden“. Von neun bis zwölf und von zwei bis sechs behauptete er seinen Standplatz und hielt ein Schwätzchen mit den anderen dienstbereiten Männern, die sich hier ein Stelldichein gaben.
Seine Beliebtheit bei den alten Klevern kam dadurch zum Ausdruck, daß mancher ihm ein Scherflein opferte, damit „Kuw Janze“ nicht das Herz bluten mußte, wenn die anderen das danebenliegende Restaurant „Zur Krone“ aufsuchten, um sich zu „wärmen“.
Aber es gab auch noch andere, die sich seiner erbarmten. Auf dem Heimweg kam er am Regenbogen vorbei, und häufig, wenn er die Werkstatt Federle passierte, konnte er sich nicht enthalten, seinen Kollegen zwischen den Zähnen hindurch zuzurmeln: „Heij dei enne in de Fläß?“ Und da es bei den alten Handwerkern so war, daß sie immer „Terpentin“ in der Flasche haben mußten, weil sonst die Farbe nicht trocknete, konnte er zuweilen die Antwort hören: „Jo, dann kommt mar et effkes benne.“
Bei den alten Klevern ist „Kuw Janze“ nicht vergessen, und wenn wir ihn heute den jüngeren in der Zeichnung vorstellen, dann hoffen wir, daß die alten sagen: „Ja, das ist er, „de Kuw“.“
Bild oben KI generiert
– Elefanten-Post 12. Jahrgang / Dezember 1962
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