Klompekobes

Klever Originale:
„Klompekobes“

Klompekobes

„Lombeok“ war einst die Bezeichnung jenes Wohngeländes hinter dem Lokomotivschuppen des Klever Bahnhofs, wo der „schworrte Wegg“, die heutige Kreuzhofstraße, abzweigte. Ende August war dieses Gebiet der Anziehungspunkt für das Treiben der Jugend; man rüstete zur Kellener Kirmes. Da Kellen auch damals keine Säle hatte, waren Zimmerleute dabei, dort ein Tanzzelt zu errichten. Doch immer wieder wurden sie durch spielende Kinder in ihrer Arbeit gestört, bis sie voller Wut die Plagegeister von der Baustelle entfernten. Doch einen der Zimmerleute nahmen die „Blagen“ gewöhnlich nicht ernst, selbst wenn er ihnen mit seinem Universalwerkzeug drohte, einem kleinen Beil, das er sonst zum Nageln und Hobeln benutzte.

„Sägg, Mann!“ riefen sie ihn an, und immer wieder: „Sägg, Mann!“ Damit machten sie ihn zu einem wütend drohenden Verfolger. An dieser Jagd hatten sie natürlich mehr Spaß als er; denn wohin sollte er sich wenden, wenn sie auseinanderstoben wie ein Bienenschwarm? Bald waren sie dahintergekommen, daß dieser Mann, der auf der Baustelle wie alle Zimmerleute Holzschuhe (Klompe) trug, „Kobes“ hieß. Jetzt war es ihnen auch klar, warum er sich – nicht bei ihnen, aber bei seinesgleichen – bekannt machte mit den Worten: „Ek sinn Klompekobes.“

Wie alle Handwerker der damaligen Zeit wußte auch Kobes die Stellen, wo man für wenig Geld einen „Großen“ bekam. Wenn er sonntags seinen Rundgang machte, zog er sich zur Feier des Tages meist seinen Gehrrock an. Da kehrte er ein in den „Bumskeller“, eine Schiffer- und Fuhrmannskneipe im alten Bahnhofshotel. Er saß bei „Männeke Gellings“ im „Deutschen Haus“ an der Königstraße oder im „Hotel Benedikt“, heute „Kölner Hof“. Kein persönlicher Freund begleitete den stillen Genießer. Und doch überzog ein seliges Lächeln sein Antlitz, in dem nach einigen „klaren Sachen“ sein Auge trübe, aber glücklich blinzelte.

Nicht immer ging die Tour so glatt. Es gab Hindernisse, die einerseits in der Herzlosigkeit der Leute, andererseits in der schmalen Börse von Klompekobes begründet lagen. Kam er zum Beispiel ins „Hotel Benedikt“, sagte die Wirtin, wenn er ihr hilfesuchend mit treuem, aber verschmitztem Blick an der Theke gegenüberstand: „Kobes, erst Geld!“ Sie hatte ihre Erfahrungen, die gute Frau Meyer. Und wenn er dann umständlich die paar Pfennige für den nächsten Doppelstöckigen aus der Tasche kramte, dann gab sie ihm wohl einen, vielleicht auch noch einen. Aber es dauerte nicht lange, bis beim besten Drehen und Wenden aus der Tasche nichts mehr zum Vorschein kam. Und jetzt begann das eigentliche Spiel, das Spiel von Katz und Maus, das Spiel vom Klompekobes.

„Kobes, gej het genog. No harütt!“ sagte Frau Meyer resolut. Kobes blieb auf seinem Platz an der Theke stehen und erwiderte den ersten Angriff mit einem Lächeln. Das zweite „Kobes harrüttt!“ verzerrte sein Gesicht erst zu einem bittenden, dann unseligen Grinsen. Doch nun wurde es ernst.

Die Wirtin schoß hinter der Theke hervor, packte ihn und drückte ihn mal mehr, mal weniger glücklich zur Tür. Doch damit war Kobes noch nicht geschlagen. Kaum hatte sie den Rücken gedreht, da stand er auch schon wieder hinter ihr, und der Zauber ging von vorne los, bis Kobes resigniert das Spiel aufgab. Vielleicht hat er auch mal ihr Herz erweichen können, aber das ist nicht überliefert.

Die Unterstadt war sein Revier. Im Schatten der Schwanenburg, wo die Häuschen des Bleichberges an den Burgberg angeschmiegt liegen, dort hatte er Wohnung und Werkstatt. Da sah man ihn öfter draußen schaffen. Er war Spezialist im Bau von Schiebkarren.

Gar mancher Klever hat sich hier sein Fahrzeug für den Hausgebrauch herstellen lassen, und manche Fuhre Holz und Kohlen wurde auf Klompekobes’ Karren heimgefahren. Auch in Feld und Garten leisteten „Kobes’ Werke“ gute Dienste. Ja, und wenn jemand ein solches Gefährt brauchte, dann hieß es nur: „Gott es me nor Klompekobes!“

Heute werden die meisten Waren „frei Haus“ geliefert. Die praktischen Einräder sind zwar deshalb nicht ausgestorben, werden aber industriell hergestellt. Ihr letzter Fachmann war Klompekobes.

Heinrich Suter – Elefanten-Post 13. Jahrgang / Dezember 1963

Die hier veröffentlichten Beiträge aus den historischen Werkzeitungen der „Elefanten-Post“ unterliegen dem Urheberrecht.
Jegliche Vervielfältigung, Verbreitung, Weitergabe oder Veröffentlichung in anderen Medien oder auf externen Websites ist ohne ausdrückliche schriftliche Genehmigung des Klever Schuhmuseums nicht gestattet.

Nach oben scrollen