Klever Marktfrauen

Klever Marktfrauen: „Doorke Poen“ und „Jule Booms“

Historische Marktszene in einer Altstadt: Viele Menschen drängen sich zwischen Ständen mit Obst, Gemüse und Fisch. Im Vordergrund stehen Marktfrauen in langen Kleidern und Schürzen,

Um die Jahrhundertwende war der Freitag im Klever Wirtschaftsleben der wichtigste Tag. Es war der Tag des Hauptwochenmarktes auf dem „Kleinen Markt“.

Stellen wir uns im Geiste an jene Stelle, wo sich die Schatten des alten Nord- und Südturms der Stiftskirche um die Mittagszeit deckten, etwa an der Ecke des Hauses, in dem der Augenarzt Dr. Trompetter wohnte (heute ein Teil der Kreissparkasse). In der Mitte des „Kleinen Marktes“ stand auf hohem Sockel der „Helias-Lohengrin“ mit Schild und Hifthorn. Zu seinen Füßen Frau Beatrix mit ihren drei Söhnen. Aus vier Schwanenhalsen floß Wasser in die Becken.

Die Stände der Gemüseverkäufer füllten nicht nur den Marktplatz, sondern reichten bis zum unteren Teil der Kirchstraße. An der abzweigenden Goldstraße standen die Fischer aus Grieth und Griethausen und boten ihre Fänge feil.

Vor den Stufen des Kirchplatzes die Käsestände. „Frau Denges, ock en moj Stöckske Alde?“ rief die Anna (Schüsterkesfrau, die einen Käsestand betrieb), mit dem langen Messer eine Scheibe der Vorübergehenden anbietend.

Über den Stufen zum Kirchplatz die Frauen mit den eiergefüllten Körben. „Watt kosten de Eier van Dag?“ – „Twee dorthien.“ Oder bei der Konkurrenz: „Twee elf.“ (= 2 Stück für 11 Pfennig.)

Und dann im sauberen Tuch die großen Stücke selbstgekirnter Bauernbutter. Die besseren Damen hatten ein kleines Silberlöffelchen in der Tasche, um Kostproben zu nehmen.

Unter den Gemüsehändlern wiederum gab es einige, die regelmäßig auf dem Markt in Nimwegen einkauften und als Wiederverkäufer auftraten. Aber ein großer Teil war Selbsterzeuger. Das frühe Gemüse brachten die Anwohner der „Held“: Lagen doch ihre Gärten in einem geschützten Tal, vor Jahrhunderten schon als „Franziskustal“ bekannt.

Da kamen die Frauen aus Rindern mit jungem Löwenzahn, dem „Mollsalat“. Ein gutes Mittel für Leber- und Gallenleidende.

Auf alten Bildern sehen wir die Marktfrauen in weiten langen Röcken, die unten einen Stoß aus „Besenlitze“ hatten. Wir sehen die weiten Schürzen mit dem „Brustlatz“ und die Mütterchen mit ihren „Kapotthütchen“. Die Männer im „Buserull“ stehen hilfsbereit in der Nähe. Es gab keine „Veilingskisten“; das junge Gemüse, wie Spinat und Rübstiel, lag in großen Körben. Es war sogar gewaschen. Rot- und Weißkohl sah man aufgestapelt zu kleinen Bergen.

Die bekanntesten Marktfrauen mit eigener Erzeugung dürften „Door Poen“ und „Jule Booms“ gewesen sein. „Doorke“ hatte ihren Garten an der Ringstraße neben dem heutigen Finanzamt. Das langgestreckte Häuschen im Garten war ihr Elternhaus.

Bei der Arbeit im Garten trug sie wie auf dem Markt ihren großen Strohhut. Bis ins hohe Alter blieb sie der Tradition treu und überlebte „Jule Booms“ um viele, viele Jahre. Finanziell war sie gut gestellt. Als sich in ihren jungen Jahren ein Liebhaber einstellte, frug Vater Poen: „Watt brenget gej mett? Wett gej ock, wie schwoor minn Doorke es?“
Aus war es. Keiner hat mehr um „Doorkes“ Hand angehalten.

„Jule Booms“ aber verheiratete sich mit „Wellem Diezhuusen“. Sie hatten ihr Häuschen mit Garten an der Spoystraße, die damals noch zur Gemeinde Rindern gehörte. Junge Burschen trieben hier oft einen Schabernack, indem sie die Türklinke an einen Pfahl der gegenüberliegenden Weide des Viehhändlers Bernd Gonsenheimer banden und dann an die windschiefe Blendladentür klopften.

Als „Jules“ Witwe wurde, nahm sie als Gesellschafter die Ziege mit in ihren Gemach. Ja, „Jule“ hatte Gemüt. Sie war übrigens eine von denen, die den „Mollsalat“ auf den Markt brachten. Lagen doch in ihrer nächsten Umgebung viele naturverwilderten Wiesen, die jenes wertvolle Wildgemüse lieferten.

Die Parole „Ich spar mein Geld beim Kreis…“ war noch unbekannt. Die Alten sparten im Strumpf. Und „Jule“ nähte ihre Goldstücke in den Rock. Es schien, als ob es etwas lohnte. Aber als sie krank wurde und das Lebenslicht erlosch, lüftete eine Schwester des Hospitals das Geheimnis des lahmen Gehens. Es wurde zum lokalhistorischen Ereignis. Auf den Straßen sangen die Buben:

„Jule Boom, die hat woll Gäld,
dat hat sej in den Rock eingenäht.
Op ens, do koom de schlechten Tüd,
do muos sejt et bie de Sperit hüt.“

„Doorke“ und „Jule“, die Marktfrauen aus alter Zeit, leben in unserer Erinnerung. Schließlich gehörten zu ihrem Kundenkreis zahlreiche Schüsterkesfamilien.

Heinrich Suter – Elefanten-Post 11. Jahrgang / Juli 1961

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