Erinnerung an Telle Kätz

Telle Kätz

Telle Kätz

Die „Alte Kaserne“ in der Klever Altstadt lag mit einer Seite zur Rahmstraße. Der Name erinnert an die Weber, die einst hier an der Stadtmauer wohnten und ihre Erzeugnisse zum Trocknen auf Rahmen spannten.

Gegenüber der Kaserne befand sich das sogenannte „Fort“, zu dem ein bogenförmiger Eingang führte. Das holprige Kopfsteinpflaster war ein beschwerlicher Fußweg, vor allem für die Kinder zu den Schulen in der Mühlenstraße. Es zeugte nicht gerade von sozialem Wohlstand der Eltern, wenn eine beträchtliche Zahl mit Holzschuhen (Klompe) bekleidet war. Abwärts ging es am besten auf den terrassenmäßig angelegten Kellernischen der Kaserne.

In den Kasernenstuben herrschte vor Beginn des Schulunterrichts ein reges Treiben. Hieß es doch um diese Zeit: „Fertigmachen zum Dienst!“

Blickte dann die Schuljugend neugierig durch die vergitterten Fenster, erscholl der Ruf der Musketiere: „Hau ab, du Schuster!“ Ja, die meistens aus Westfalen stammenden Soldaten sahen schon in der Jugend die kommende Schustergeneration. Auch auf der Rahmstraße wurden ja zu Beginn des Jahrhunderts „Wendeltöllekes“ hergestellt. Das besorgte Familie Liffers gleich gegenüber der Kaserne.

Nebenan von Liffers wohnte in einem kleinen Häuschen Telle Kätz. Der zur Straße gelegene Raum zeigte im Fenster als Auslagen Pfennigartikel. Da waren Lakritz und Zuckerstangen, Seifenbonbons und Neegereld, Zuckerpapier, Süßholz, Wundertüten, Lakritzschuhriemen (Marke „Je länger, desto lieber“), getrocknete Schollen und „Pettjes“ (Erdnüsse).

Dieser dunkle Raum hatte drei Aufgaben. Er diente der Alten als Wohn-, Schlaf- und Verkaufsstätte. Wer von der Jugend mit ein oder zwei Pfennig in der Tasche zur Schule ging, war ein reicher Mann und konnte es sich leisten, den kleinen Laden schon vor acht Uhr zu betreten. Die Alte lag noch im Bett und überwachte von hier aus ihren „Selbstbedienungsladen“. Ein Pfennig auf den Tisch gelegt berechtigte zum Mitnehmen von einem Bogen Zuckerpapier; für zwei Pfennig gab es eine „Wundertüte“. Die „Selbstbedienung“ klappte. Telle Kätz brauchte nicht unter die Frühaufsteher zu gehen.

Als es ihr körperlich noch besser gegangen war, hatte sie bei schönem Wetter ihren Verkaufsstand im Freien, und zwar an der Stelle, wo sich einst das „Heidelberger Tor“ befand. Er stand in der Nähe des Ladens von Len Royen, von der die alten Schüsterkes ihren Hangfarn zur Herstellung der Pechdrähte bezogen.

Wenn die Art der Kundenbedienung bei Telle schon ein seltsames Geschäftsgebaren war und die Darbietung der Ware selbst den geringsten hygienischen Ansprüchen kaum gerecht werden konnte, so vermochte doch weder der gestrenge „rooje Mönnichs“ noch Fräulein Graskamp die Schüler von ihr fernzuhalten. „Telle Kätz“ führte ihren Laden, bis ihre Kräfte sie verließen, ohne Steuerberater, ohne Buchführung.

Sie lebte in einer Zeit, wo das Sprichwort galt: „Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.“ Einer ihrer Zeitgenossen sagte immer: „Gej mott spoore. Van Pennengskes Grösskes maake, en van Grösskes Märkskes.“ Dieser Zeitgenosse, als der „glatte Wellm“ bekannt, konnte getrost diese Sparparole ausgeben. Ihre Verwirklichung und der soziale Wohlstand traten erst ein mit der Aufwärtsentwicklung der Klever Schuhindustrie.

Bild oben KI generiert

– Elefanten-Post 12. Jahrgang / Februar 1962

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